Durch die Jahrhunderte hindurch haben sich in der Kirche unterschiedliche Formen geistlicher Übungen und Wege entwickelt. Die Wurzeln solcher „Exerzitien“ reichen zurück bis in die Zeit des frühen Christentums. Sie zielen darauf, sich dem Wirken Gottes immer mehr zu öffnen und sein Geheimnis immer tiefer zu begrei­fen.

Geistliche Übungen sind nicht Selbstzweck. Sie sind Einstimmung und Vorbereitung auf eine Begegnungssi­tuation, in der Gott selbst sich neu offenbart – wie und wann ER will. Zu jeder spirituellen Erfahrung gehört das Wissen darum, dass das Erleben der Nähe Gottes ein Geschenk ist. Trotz aller Unterschiede in den Formen und inhaltlichen Schwerpunkten ist die Begegnung mit Gott verbindende Mitte aller geistlichen Wege.

Nicht jeder geistliche Weg ist für jeden oder jede ge­eignet und begehbar. Die folgenden Erläuterungen dienen als Hilfe, sich in der Fülle der Angebote und Begriffe zu orientieren.

Glossar

Bestimmend ist der Gedanke, für eine begrenzte Zeit den gewohnten Lebensrhythmus zu unterbrechen, um in einer anderen Umgebung ein persönliches Glaubens- oder Lebensthema zu vertiefen. Bibellesen, stille Zeit und Gebet können mit Impulsreferaten, Meditations­übungen, Fasten oder auch kreativem Tun verbunden werden. Wichtig ist das Gespräch mit dem/der Beglei­terIn, das in der Regel angeboten wird.

Diese besondere Form eines begleiteten geistlichen Weges hat ihren Ursprung in den Weisungen der Ere­miten in der Frühzeit der Kirche. Die Altväter wurden um ein Wort zur persönlichen Orientierung auf dem Glaubens- und Lebensweg gebeten. Die gegebenen Antworten nahmen die jeweilige individuelle Situation auf und halfen bei der Klärung des Gottesverhältnisses.

Wesentliche Elemente der Exerzitien sind ein biblischer Impuls (der immer auf die persönliche Situation des Exerzitanten bezogen ist), eine mehr­malige tägliche Zeit der Stille und Betrachtung sowie das regelmäßige Gespräch mit dem Begleiter/der Begleiterin. Dieser Klärungsprozess endet mit einer inneren Entscheidung über den weiteren eigenen Weg. Exerzitien können daher eine hilfreiche Möglichkeit sein, vor wichtigen Lebensentscheidungen zu einer größeren inneren Klarheit zu gelangen. Immer zielen sie jedoch hin auf eine bewusstere Gottesbeziehung.

Es gibt auch Kurzexerzitien, die an einem Wochenende stattfinden, oder „Exerzitien im Alltag“, die sich z.B. über die sieben Wochen der Passionszeit erstrecken.

Von seinen Wurzeln her gründet das Herzensgebet, das auch „Jesus-Gebet“ genannt wird, in einer alten Gebetspraxis. Dabei wird ein Satz oder ein Wort aus der Heiligen Schrift so lange wiederholt, bis die Person des Beters mit dem Inhalt des Wortes eins geworden ist.

Das Herzensgebet entwickelte sich aus dem Bestreben, durch Jesus Christus in eine ganz innige Gemeinschaft mit Gott zu kommen. Einen besonderen Stellenwert hat es in der Spiritualität der Ostkirche. Die Anrufung des Namens Jesu wird mit dem Rhythmus des Aus- und Einatmens verbunden. „Herr Jesus Christus, du Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich meiner, des Sünders“, so lautet die Gebetsformel, die auch gekürzt oder durch eine im Sinn ähnliche Formel ersetzt werden kann.

Mit der Anrufung des Namens stellt sich der Beter in die Gegenwart Jesu. So soll das Herz als Mitte der Person verwandelt werden. Zugleich kann eine innere Gebor­genheit in Gott erfahren werden. Die Gebetsworte sinken langsam ins Innerste und am Ende werden sie vom Herzen selbst gebetet, so selbstverständlich, wie Atmung oder Pulsschlag sich vollziehen. Deshalb wird das Gebet auch in Anlehnung an 1. Thess 5,17 das „immerwährende Gebet“ genannt. 

Ein altes Lesemodell neu entdeckt. Immer mehr Christen entdecken die „Lectio Divina“, das meditierende und betende Lesen der Bibel. Diese sehr alte Leseform sucht die Begegnung mit Gott durch das wiederholende Lesen der biblischen Texte nach einer bestimmten Abfolge: Lesen, Meditieren, Gebet und Kontemplation.

Meditation – in all ihren verschiedenen Formen – will über den Weg des Zur-Ruhe-Kommens zum Wesent­lichen des Lebens vordringen. Dabei kommen die eige­nen Gedanken durch Schweigen und innere Sammlung zur Ruhe. Eine ungeteilte und wache Aufmerksamkeit für das eigene Dasein wird möglich.

Dem Wort Medi­tation liegt ein lateinisches Verb zugrunde, das man mit nachsinnen wiedergeben kann. Dabei geht es um ein Nachvollziehen mit Herz und Gemüt, nicht um rationales Denken. Der Mensch ist in seiner Ganzheit angesprochen.

Um die durch Meditation gewonnenen spirituellen Erfahrungen einordnen und vorsichtig deuten zu können, ist das Gespräch mit einem in der Meditation erfahrenen Menschen hilfreich und nötig.

In den von der asiatischen Kultur geprägten Formen geht es um das Leer-Werden von Bildern und Ge­danken. In der christlichen Tradition geht es um ein inneres und betendes Betrachten von Bibelworten, die in das Geheimnis Gottes hineinführen.

Natürlich kann der Blick nach innen auch von Symbolen, Bildern oder Gegenständen aus der Natur ausgehen. Solches Meditie­ren kann zur Kontemplation führen. Kontemplation bedeutet, dass man sich dem Wirken des Geistes Gottes ohne Zuhilfenahme von Gegenständen öffnet. Kon“templa“tion (der Ort der Gottesverehrung ist der Tempel!) will darin einüben, dass das Selbst zum Ort der Gottesverehrung wird, an dem das gnadenhafte Geschenk der Gottesschau sich vollziehen kann.

Als eine Ausdrucksmöglichkeit zum Lobpreis Gottes ist der Tanz schon im Alten Testament genannt. Im medita­tiven Tanz werden Gebetshaltungen und -gebärden zu Bewegungsfolgen verdichtet. Diese nehmen symbolisch existentielle Grundsituationen auf.

Einfache Schritt­folgen führen zur inneren Sammlung. Zur Liturgie ausgestaltet werden sie zu einer Ausdrucksform, in die der Mensch mit seiner Ganzheit von Körper, Seele und Geist in der Dimension seiner Sinnlichkeit einfließt.

Christen sind immer schon als „Leute des Weges“ bezeichnet worden. Innerlich und äußerlich war und ist ihr Leben von einem Unterwegs-Sein zwischen Herkunft und Zukunft, zwischen Aufbruch und Ziel gekennzeichnet. Vor diesem Hintergrund ist Pilgern eine geistliche Übung, bei der neben dem Bedenken des eigenen Lebensweges auch die innere Lebensbewegung, als Aus-Richtung auf Gott hin, in den Blick kommt. Zugleich geht es über das konkrete Wahrnehmen von Schöpfung um ein Hineinspüren in die Dimension der eigenen Geschöpflichkeit.

Auf dem Weg wechseln sich Zeiten des Hörens auf ein Bibelwort, des Schweigens und der Andacht ab. Symbolhandlungen und besondere Wegstationen, an denen die Verletzlichkeit des Lebens zum Ausdruck kommt, können als weitere Elemente auf einem Pil­gerweg einbezogen werden.

Ein christliches Konzept von Körperarbeit, in das die Ansätze von Feldenkrais, Kinästhetik und Eutonie eingeflossen sind. In einfachen Bewegungen, die bewusst und langsam ausgeführt und wahrgenommen werden, liegt die Möglichkeit, sich selbst und andere als wertvolle Geschöpfe zu erkennen, die wunderbar gemacht sind (Psalm 139, 14).

Das spirituelle Körperlernen ist nicht leistungsorientiert und bietet kein Fitnesstraining. Es ist auch kein „Wellness-Programm“, denn es zielt nicht in erster Linie darauf, dass jemand sich wohl fühlt und entspannt. Es verhindert nicht, an Grenzen zu kommen, sich an eigenen Mustern zu stoßen und schmerzhaft auf tiefere Prägungen aufmerksam zu werden.

Spirituelles Körperlernen begründet sich in „liebevoller Aufmerksamkeit“, sowohl sich selbst als auch anderen gegenüber. Das gilt sowohl für die Begegnung mit dem eigenen Potential als auch für die Grenzen, an die wir stoßen.

Aus der Tradition des mönchischen Lebens stammen die Stundengebete, die über den Tag verteilt zum Innehal­ten einladen. Sie geben für den Tag einen gestalteten und sinnvollen Rhythmus zwischen Arbeit und Gebet vor. Wesentliche Elemente der Tagzeitengebete sind Psalmgebet und biblische Lesung.

In klösterlichen Ge­meinschaften ist die Anzahl dieser Gebetszeiten genau geregelt: in der benediktinischen Regel findet sich die Anweisung zu sieben Gebetszeiten zwischen Laudes (Morgenlob) und Komplet (Nachtgebet), zusätzlich noch die mitternächtlichen Vigilien. Daneben gibt es auch andere Tageseinteilungen, die z.B. nur eine Ge­betszeit morgens (Laudes/Mette), mittags (Hora) und abends (Vesper) vorsehen.